Ski & Snow
Die Schnee-Flüsterer von Sölden
Ihre Arbeit passiert meist im Verborgenen und Stunden bevor Skifahrer im Skigebiet von Sölden ankommen. Und dennoch ist ihre Aufgabe mit größtmöglicher Verantwortung verbunden. Die Rede ist von der Lawinenkommission Sölden, welche für die Sicherung des Skigebiets sorgt.
Wir wollten mehr über ihre Aufgabe erfahren und haben uns deshalb mit dem Obmann der Lawinenkommission, Manfred Fiegl, sowie Peter Raich, dem Obmann Stellvertreter und einzigem hauptamtlichen Mitarbeiter der Kommission, getroffen. Ein Gespräch über Sprengladungen, Wetterlagen und Temperaturunterschiede.
Sicherheitszaun am Rettenbachferner Gletscher © Ernst Lorenzi / Ötztal Tourismus
„Sicherung des Skigebiets“ – was gehört überhaupt dazu?
Hört man den Begriff „Sicherung des Skigebiets“, denkt man natürlich primär an den Schutz vor möglichen Lawinenabgängen. Dabei umfasst die Sicherung des Skigebiets viele weitere Aufgaben:
Das Spektrum reicht von der korrekten Markierung und Absicherung der Pisten sowie des Pistenrands, der Polsterung von Liftstützen und Schneekanonen sowie der Absicherung von Absturzstellen. Im Fachjargon spricht man davon, dass alle atypischen Gefahren im Skigebiet abgesichert sein müssen.
Beim Thema Sicherheit hat sich in den vergangen Jahrzehnten natürlich einiges getan. Wo früher noch Bretterzäune vor einem Absturz schützten, finden sich heutzutage moderne Fangnetzte. Auch das Team der Bergbahnen Sölden bewegt sich am Puls der Zeit und hat in den vergangenen 4 Jahren jährlich zwischen 800 und 900 Metern an neuen Zäunen aufgestellt.
Die neuen Hochsicherheitszäune stammen aus der hauseigenen Schlosserei der Bergbahnen Sölden und kommen überall dort zum Einsatz, wo Absturzgefahr herrscht. Mittlerweile haben die Zäune aus der Eigenproduktion sogar einen eigenen Namen bekommen und werden von den Bahnen-Mitarbeitern liebevoll „Sölden Zaun“ genannt.
Ein perfekt eingespieltes Team
Wie aber sieht das tägliche Prozedere der Lawinenkommission selbst aus? Manfred und Peter erklären mir, dass der alltägliche Ablauf eigentlich bereits am Vortag seinen Lauf nimmt. Dann treffen sich die beiden nämlich zu einer ersten Lagebesprechung für den kommenden Tag. Dabei wird der Wetterbericht besprochen und der tägliche Lawinenlagebericht des Landes Tirols herangezogen.
Abhängig davon wird im Anschluss entschieden, wann die Lawinenkommission am darauffolgenden Tag zusammentrifft und die Mitglieder werden entsprechend verständigt sowie eingeteilt. In der Regel trifft das Team in den Wintermonaten gegen 7 Uhr zusammen – dann ist es nämlich hell genug, um die Lage korrekt einschätzen zu können.
Simon Holzknecht von der Lawinenkommission nimmt den Lawinekegel unter die Lupe © Peter Raich
Die 12-köpfige Lawinenkommission teilt sich dabei auf die 3 Standorte „Gletscher“, „Giggijoch“ sowie „Gaislachkogl“ auf und startet gleichzeitig mit der Arbeit, damit das Skigebiet so rasch wie möglich geöffnet werden kann.
Der Ablauf sieht dabei wie folgt aus: In einem ersten Schritt wird das Gebiet von Mitgliedern der Lawinenkommission abgefahren und die Lawinensituation eingeschätzt. Abhängig davon werden Maßnahmen wie etwa Sprengungen durchgeführt und entschieden, ob und welche Pisten bzw. Lifte geschlossen bleiben müssen. Im Idealfall wissen die Liftbediensteten bis 8 Uhr Bescheid, ob ein gewisser Lift geschlossen bleiben muss und wenn ja, wie lange.
Etwaig geschlossene Pisten werden mit Bändern bzw. Zäunen abgeriegelt sowie mit der internationalen Sperrtafel versehen – für den Skifahrer muss zu 100 Prozent ersichtlich sein, dass eine bestimmte Piste gesperrt ist. Infos über geschlossene Pisten werden auch auf allen LED-Tafeln im Skigebiet entsprechend dargestellt.
Roland und Peter beim Erstellen eines Schneeprofils
© Peter Raich
Ein feines Gespür für Schnee
Als hauptamtlicher Mitarbeiter der Lawinenkommission kümmert sich Peter vor allem um die Erstellung von Schneeprofilen und deren Protokollierung. Diese Schneeprofile werden in laufenden Abständen, auch wenn es nicht schneit, an den 3 Standorten erstellt. Für Peter ist es wichtig zu wissen, was „unten drinnen“ ist, wenn Neuschnee im Anmarsch ist. Nur so kann der Schneedeckenaufbau korrekt eruiert werden.
Natürlich spielt dabei jahrzehntelange Erfahrung, Know-How sowie Ortskenntnis eine gewichtige Rolle. So weiß das Team um Manfred und Peter etwa, bei welchen Schnee- bzw. Windbedingungen welche Bereiche des Skigebiets zuerst kontrolliert werden müssen.
Dennoch stellt das Frühjahr alljährlich auch sie vor Herausforderungen. Aufgrund der Temperaturschwankungen und der erhöhten Sonnenstrahlung kann sich die Lawinensituation zu dieser Jahreszeit innerhalb einer Stunde komplett verändern bzw. zuspitzen – davon ist auch die Gletscherstraße betroffen, welche im Frühjahr vor allem durch Nassschneelawinen gefährdet ist.
Deshalb betonen die beiden wie wichtig es ist, dass die Mitglieder der Kommission ständig im Gebiet unterwegs sind, um die Situation korrekt einschätzen zu können. Manfred nennt das „an der Front unterwegs sein“. Peter erzählt, dass er auch viel im freien Gelände weit abseits der gesicherten Pisten unterwegs ist, da man hier „noch etwas mehr sieht und spürt“.
1.223 Kilogramm Sprengstoff für mehr Sicherheit
Arbeiten am Sprengmasten © Markus Geisler
5 verschiedene Sprengarten kommen im Skigebiet Sölden zum Einsatz. Insgesamt wurden in der vergangenen Saison 2015/2016 exakt 406 Sprengungen durchgeführt, davon 163 aus dem Hubschrauber. Weiters kommen GasEx-Anlagen (Kombination aus Gas und Sauerstoff), Lawinenorgeln sowie Handsprengungen zum Einsatz. Seit 3 Jahren werden auch Sprengmasten verwendet: Die Treibladung, welche ferngezündet wird, explodiert dabei 3 Meter über der Schneeoberfläche und entfaltet somit ihre volle Wucht.
In seltenen Situationen werden auch „Skiauslösungen“ vom Team durchgeführt – dies ist vor allem an vermeintlich harmlosen Böschungen notwendig, wo Sprengladungen nicht verwendet werden können. „In Hänge zu hupfen“, wie es Peter ausdrückt, ist natürlich die Ausnahme, da sich das Team dabei selbst einer großen Gefahr aussetzt.
Alljährlich werden auch interne Schulungen sowie Auffrischungen von der Lawinenkommission durchgeführt – schließlich sind es meist Pistenbully-Fahrer, Pistenretter und Liftbedienstete, die bei einem Lawinenabgang als erste vor Ort sind. Auch hier nehmen die Bergbahnen Sölden eine Vorreiterrolle ein:
So stehen sogenannte „Lawinenkisten“ an den 3 Standorten bereit, welche von Hubschraubern eingehängt werden können. Die 280 Kilogramm schweren Kisten beinhalten alle notwendigen Gegenstände für den Ersteinsatz bei einem Lawinenabgang. So finden sich in jeder Kiste unter anderem 90 Sonden, 35 Schaufeln, Decken etc..
Eine der drei Lawinenkisten © Peter Raich
Die Mitglieder der Lawinenkommission mit Bahnen-Mitarbeitern bei einer internen Fortbildung
© Peter Raich
Austausch mit Nachbarkommissionen
Das Team rund um Manfred und Peter ist auch in ständigem Austausch mit benachbarten Lawinenkommissionen. Mit Patrick Nairz vom Lawinenwarndienst Tirol stimmt sich Peter ebenfalls regelmäßig ab. So werden Informationen zu Schneeschichten verglichen, ausgetauscht und zu einem Gesamtbild zusammengefügt.
Fragt man Manfred und Peter nach den regionalen Besonderheiten von Sölden, verweisen diese auf die extreme Höhenlage des Skigebiets, welche bis auf 3.300 Meter Seehöhe reicht. Auch unterschiedliche Wetterlagen stellen das Team vor Herausforderungen. Während die Süd-West Wetterlage auch Sölden die größten Schneemengen beschert, bringt die meist vorherrschende Hauptwetterlage aus Nord-West neben Schnee viel Wind mit.
Dabei weist Peter darauf hin, dass viel Schnee nicht automatisch große Gefahr bedeutet. Viel mehr gilt nach wie vor das Sprichwort: „Der Wind ist der Baumeister der Lawine.“
Ich wollte von Peter auch wissen, was der bisherige Schneedeckenaufbau über den anstehenden Winter verrät und ob schon eine Tendenz zu erkennen ist. Im Moment sei schwer einzuschätzen, wie sich der Winter bzw. die Schneedecke weiter entwickelt, so Peter. Da es in tieferen Lagen derzeit noch keinen Schnee gibt, liegt der Fokus auf den höheren Lagen, und hier stellen Altschneeprobleme, vor allem in schattigen Lagen, sicher ein Problem dar, wie Peter erklärt. Natürlich müsse aber die weitere Entwicklung abgewartet werden.
Bewusstsein und Verständnis schaffen
Vielen Skifahrern ist oft nicht bewusst, welche Anstrengungen im Hintergrund unternommen werden, damit die Sicherheit im Skigebiet gewährleistet werden kann. Auch die temporäre Schließung von Pisten bzw. Liften aufgrund von Lawinengefahr stößt bei manchem Skifahrer oft auf Unverständnis.
Wenn man aber weiß, welchen Gefahren sich das Team der Lawinenkommission Sölden aussetzt und wie akribisch gearbeitet wird, um das Skigebiet und somit die Skifahrer selbst zu schützen, der sieht die Thematik beim nächsten Mal womöglich aus einem neuen Blickwinkel.
Die weiße Gefahr soll und darf nicht unterschätzt werden!
© Peter Raich
Am Ende unseres Gesprächs erzählen mir Manfred und Peter schmunzelnd, dass der Job in der Lawinenkommission natürlich auch seine schönen Seiten hat. Dann nämlich, wenn man als erster einen unverspurten Hang hinunter fahren darf, bevor dieser freigegeben wird.
(Dieser Beitrag erschien ursprünglich am 13.12.2016)
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