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An Tagen wie diesen

Erfahrungsbericht zum Ötztaler Radmarathon

Am Sonntag, den 28. August 2016 werden wieder Träume wahr! Über 4.000 ambitionierte Rennradfahrer stellen sich der Herausforderung „Ötzi 2016“. Markus Scheuermann ist einer unter ihnen, der das Abenteuer schon erlebt hat. Über Höhen und Tiefen beim Ötztaler Radmarathon.

Wie beginnt man einen Bericht über die bisher härteste, sportliche Herausforderung?
Am besten von Anfang an…
Meine Trainingsvorbereitungen in diesem Jahr waren für meine Verhältnisse ziemlich intensiv. Über 2.500 Trainings-Kilometer mehr als im Vorjahr und die Abnahme unter die „magische Grenze“ von 78 Kilo machten Mut, die Herausforderung zu überstehen. Mitte der letzten Woche vor dem Marathon zeichnete sich ab, dass sich das Wetter hin zum Wochenende verschlechtern würde.

Es wurden sehr starke Regenfälle über den ganzen Veranstaltungstag vorhergesagt. Schlau wie ich bin, packte ich deswegen am Donnerstag mein komplettes Regenoutfit samt Jacke, Hose und Schuhe ein, so kann nichts mehr schief gehen – dachte ich. Das Auto war am Abend komplett beladen und so konnten wir, meine Freundin und ich, am Freitag um 7.00 Uhr in Richtung Sölden starten.

Die Ruhe vor dem Sturm

Da wir zeitlich gut unterwegs waren, fuhren wir von Oetz aus zum Kühtai hinauf. Meine Freundin konnte kaum fassen, dass ich diesen Pass mit dem Rad in Angriff nehmen wollte. Ein wenig Masochismus gehört ja schon dazu, muss ich zugeben.

Am Samstag Morgen dann überraschenderweise schönes Wetter. Nach dem Frühstück schlenderten wir in Richtung Zentrum. Da in unserer Hotelbuchung die Ötztal Premium-Card enthalten war, fuhren wir mit der Gaislachkogelbahn auf über 3.000 Meter und genossen den Blick auf das Timmeljoch, meinen finalen „Gegner“ beim Ötzi 2016.
Hinter dem Timmelsjoch zogen aber bereits dunkle Wolken auf, die die Wettervorhersage für Sonntag bestätigen wollten.

Blick auf Sölden im Ötztal
Blick auf das Ötztal.
© Markus Scheuermann

Abends war dann die Teilnahme an der Pastaparty obligatorisch, damit die Kohlehydratspeicher für die kommende Anstrengung auch gut aufgefüllt sein würden. In unserer Unterkunft angekommen legte ich mir bereits meine Klamotten für den großen Tag bereit.

Der Wecker klingelte am Morgen schließlich um 4:10 Uhr. Die Nacht war unruhig. Ich konnte nicht schlafen. Der Regen wurde immer heftiger und der Geräuschpegel der Ötztaler Ache wurde immer lauter…

Stunde der Wahrheit

04:10 Uhr. Ich war hellwach! Nach dem Frühstück wurde die Startnummer mit dem Transponder am Rennrad befestigt und noch schnell der Reifendruck geprüft.

Draußen goss es in Strömen. Um 5:45 Uhr war ich dann fertig für die Abfahrt und fuhr über die Zufahrtsstraße zum zweiten Startblock. Vor Beginn bereiteten uns die Toten Hosen mit ihren „Tagen wie diesen“ auf den Startschuss vor, der pünktlich um 6:45 Uhr fiel. Mehr rollend als fahrend ging es langsam los. Um 6:49 Uhr überfuhr ich die Ziellinie und wir nahmen langsam Fahrt auf. Links und rechts gesäumt von applaudierenden Zuschauern ging es durch Sölden.

Nur keine Hektik

Ab Sölden (auf 1.377 Metern) ging es die ersten 30 Kilometer bis nach Oetz, wo der erste Anstieg zum Kühtai mit dem Überfahren der Zeitnahme begann. Ich wurde oft überholt, hatte mir aber fest vorgenommen ausschließlich mein eigenes Tempo zu fahren und mich nicht von Schnelleren zur Aufholjagd verleiten zu lassen.

Mit Musik im Ohr kurbelte ich immer weiter nach oben. Die erste Labestation auf dem Gipfel des Kühtai war auf 2.020 Metern nach 51 Kilometern erreicht. Nach dem Überfahren der Zeitmatte bekam ich die erste SMS von Datasports: „Hallo Markus, Du hast Kühtai erreicht um 8:59.34,4. Deine Rennzeit ist 2:10.21,2“.

Durch den Regen ans Ziel im Ötztaler Radmarathon
Abfahrt im strömenden Regen.
© Sportograf

Vom Kühtai bis zum Brennerpass

Die Abfahrt war kalt, richtig kalt! Ich zitterte am ganzen Leib und hatte teilweise Probleme, den Lenker unter Kontrolle zu halten. Trotzdem erreichte ich hier meine Spitzengeschwindigkeit von 78 km/h. Nach weiteren 110 Kilometern begann dann der Aufstieg zum Brenner. Das Tempo zog an.

Wie es passierte kann ich eigentlich nicht mehr genau sagen. Mein Vordermann ging ohne ein Hand-Zeichen aus dem Sattel und touchierte mit einer leichten Rückwärtsbewegung mein Vorderrad, so dass ich zu einer festeren Bremsung gezwungen war. Das Rad versetzte im rechten Winkel und ich fand mich auf dem Rücken liegend auf der Straße.

Über mich hinweg flog ein Rad und ein weiteres verfing sich mit dem Lenker in meinem vorderen Laufrad. Chaos! Einer der beiden humpelte fluchend mit seinem Rad von der Straße. Währenddessen zogen dutzende Fahrer an uns vorbei.

Ich konnte es nicht fassen! Sollte es das gewesen sein? Ich schaute auf mein Fahrrad. Die Schaltung wollte nicht mehr reagieren. Das Vorderrad schliff an der Bremse und hatte eine Acht.
Der Traum war ausgeträumt! NEIN!
Die Kette lag auf einem mittleren Gang, so dass ich vorsichtig versuchte, ob ein Vorankommen möglich wäre. Ich wusste, dass im letzten Ort vor dem Pass ein Service-Wagen stand. Somit kämpfte ich mich mit zwei Gängen 127 Kilometer hinauf zur Labe. Ohne Hilfe ging es nicht weiter. Während ich über die Zeitnahme rollte, empfing ich die zweite SMS von Datasport…
Markus Scheuermann auf dem Weg Richtung Jaufenpass
Markus findet neuen Mut.
© Sportograf

Neuer Aufschwung

Die nächste Abfahrt fuhr ich sicherheitshalber mit „angezogener Handbremse“. Unterwegs musste ich meinen Notfallbeutel auspacken und mich der ersten langen Kleidungsstücke entledigen.

Immer weiter ging es nach oben. Nach Erreichen des Jaufenpasses, beschäftigte ich mich höchstens 5 Minuten mit dem Auffüllen meiner Flaschen und der Nahrungsaufnahme, bevor die letzten Höhenmeter bis zum Gipfel in Angriff genommen wurden. Das Wetter wurde immer besser und so wurde ich zusätzlich motiviert.

Die Abfahrt war schnell und die Bremsen wurden stark beansprucht. So langsam fasste ich wieder Vertrauen in mein Material, als ich einen lauten Knall hörte. Reifenplatzer hinten!

Es war zum Schreien. Es nütze ja nichts… Rad umdrehen und Schlauch wechseln. Ich packte meinen Notfallschlauch aus und stellte nach mehrmaligem verzweifeltem Suchen fest, dass ich wohl am „Handtaschen-Syndrom“ litt. Ich schimpfte wie ein Rohrspatz! Dutzende Fahrer zogen an mir vorbei und was soll ich sagen; ich hätte wahrscheinlich auch nicht angehalten…

Der finale Gegner

Nachdem der Schlauch gewechselt war, trat ich wie verrückt in die Pedale, in der Hoffnung schnellstmöglich auf den nächsten mobilen Service-Wagen zu treffen. Mit Erfolg!

Die Zeitnahme in St. Leonard war nach 186 Kilometern um 15:03 Uhr erreicht und es ging von hier aus direkt in den Anstieg zum Timmelsjoch. Jetzt tat es langsam richtig weh! Die kommenden 30 Kilometer sollte es nur noch bergauf gehen. Auf halber Strecke erreichte ich die vorletzte Labestation in Schönau. Hier tankte ich das erste Mal eine halbe Flasche Red Bull in der Hoffnung für die kommenden 800 Höhenmeter bis zum Gipfel des Timmelsjochs „Flügel“ zu bekommen. Hat leider nicht funktioniert!

Ameisenrennen beim Ötztaler Radmarathon in Sölden, Tirol
Der Anstieg zum Timmelsjoch.
© Sportograf

In Schönau ging es nach 5-Minütiger Pause auf die finalen Höhenmeter. Vor mir bäumte sich eine schroffe Felswand auf. Spätestens ab hier war mentale Stärke gefragt. Die Beine hatten schon lange keine Kraft mehr. Das einzige, was hier noch zählte war der Kopf!

Der Blick nach unten zeigte eine lange kleine Ameisenstraße mit Rennradfahrern, die sich wie an einer Schnur aufgereiht die Straße hochquälten. Der Gipfel auf 2.509 Metern war endlich erreicht. Nachdem die Zeitnahme auf der Kuppe überfahren war hielt ich kurz an. Währenddessen bekam ich eine weitere SMS von Datasports: „Hallo Markus, Du hast das Timmelsjoch erreicht!“ 

Endspurt!

Die lange Abfahrt beginnt. Nur noch „läppsche“ 220 Höhenmeter und knapp 20 Kilometer zwischen mir und meinem „Traum“. Nichtsdestotrotz hieß es noch einmal die Konzentration zu behalten. Immerhin waren nun nach rund 11 Stunden Fahrzeit noch 1.200 Höhenmeter bergab zu bewältigen.

Meine bisherige Spitzengeschwindigkeit wollte ich nicht noch einmal erreichen – lieber kein Risiko eingehen! Der kleine Pickel hinter Zwieselstein konnte sich nicht zwischen mir und meinem „Traum“ drängen. Endlich konnte ich Sölden sehen! Als ich in die Dorfstraße einbog und die tolle Stimmung am Straßenrand aufnahm, musste ich ein paar Tränen verdrücken. Auch jetzt noch Stunden nach der Einfahrt der Sieger standen hunderte Zuschauer am Straßenrand und feuerten uns an!
Ein tolles Gefühl und eine super Stimmung!

Dem Traum so nah

Ich durchfuhr die 1.000 Meter Marke, dann die 500 Meter Marke. Nur noch 200 Meter und die scharfe Kurve über die Brücke der Ache, bis ich endlich das Ziel sehen konnte. Ich durchfuhr den Zielbogen und konnte gleich meinen Namen aus den Lautsprechern tönen hören. Ich hatte es geschafft! Eine weitere SMS bestätigte mir, dass ich das Ziel erreicht habe. 

„Hallo Markus, da hast Du Deinen Traum! Herzliche Gratulation! Du hast das Ziel in Sölden in 11:51.09,7 erreicht“

Markus Scheuermann während der Abfahrt beim Ötztaler Radmarathon
Die letzten Meter ins Ziel.
© Sportograf

Gefinished!

Nach ein paar Minuten der Erholung entfernte ich den Transponder und holte mir mein Trikot ab. Nach den Siegerehrungen war dann auch für uns Aufbruch angesagt und wir ging zurück in Richtung Unterkunft.

Der Ötztaler Radmarathon war ein besonderes Erlebnis. Mit einigen Tagen Abstand, möchte ich nicht ausschließen, dass ich nächstes Jahr einen weiteren Versuch starten werde, wenn mir das Losglück hold ist. Allerdings werde ich wohl noch einmal an meiner Strategie feilen müssen.

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... verschiedene Gastautoren berichten über ihre Erfahrungen im Ötztal / in Sölden / in Obergurgl-Hochgurgl.

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